DNF is no option…

28. August 2017

…so stand es beim gestrigen Ironman 70.3 Zell am See mehrmals an der Strecke hinauf zum Filzensattel. „Did not finish“ würde auch für mich niemals in Frage kommen, habe ich mir immer gedacht! Doch beinahe wäre es doch dazu gekommen:

 

Nach mittelmäßigem Schwimmen machte ich mich bei strahlendem Sonnenschein hoch motiviert auf die 90km lange Radstrecke, die – außer den einen großen Berg hinauf nach Dienten und zum Filzensattel – keine großen Schwierigkeiten bereit hält.

So trat ich also kräftig in die Pedale und erreichte mit einem Schnitt von 38km/h den Fuss des Berges bei Lend, den es nun galt zu erklimmen! Ich nahm vorab etwas Tempo heraus, um nicht gleich am Beginn des 15km langen Abschnittes zu viel Pulver zu verschießen, konnte dann aber bald wieder etwas zulegen und Dienten relativ locker erreichen. Danach wußte ich schon, daß noch einmal 2km folgen würden, die es richtig in sich hatten! Doch auch diese Passage konnte ich – während schon einige Männer (!) ihre Bikes schoben – erfolgreich hinter mich bringen und stürzte mich in die Abfahrt! Ich wollte zwar nichts riskieren, doch auch nicht unnötig bremsen, und überholte schon in den ersten 2 Kurven etliche Mitstreiter. Beim Mountainbike-Fahrtechnik-Training hatte ich gelernt, die Bremsen auf keinen Fall schleifen zu lassen, sondern nur kurz aber kräftig vor den Kurven zu bremsen, und so praktizierte ich es auch hier. Doch das war womöglich ein Fehler…

Schon nach der dritten Kurve bemerkte ich hinten ein Schleifen, und in der nächsten Sekunde machte es auch schon PUFF!!!!! Ich hatte einen Reifenplatzer. Geschockt, aber trotzdem noch relativ sicher, konnte ich ohne Sturz abbremsen und mich auf die linke Fahrspur begeben. Mit zitternden Knien stieg ich ab, packte sofort meinen Ersatzschlauch aus und verbrannte mir prompt an der heißen Felge die Finger. Dabei merkte ich, daß es auch die Felge zerrissen hatte und das Carbon deutlich aufgeplatzt war.

Was war denn hier passiert? Ich kann es mir bis jetzt noch nicht erklären… Ich hatte kaum gebremst, und trotzdem ist das bereits in der dritten Kurve passiert… Hätte ich nicht so stark auf die Kurve hin abbremsen dürfen? Oder waren vielleicht die Bremsbeläge schon zu abgenützt? Oder die Felge bereits beschädigt? Oder, oder, oder… Die genaue Ursache kann ich leider noch nicht benennen, aber ich werde versuchen, es heraus zu finden. Nur – was war jetzt mit meinem Rennen? Dieser 70.3 war ja der dritte Bewerb für meine Alps Tour Serie, die ich unbedingt finishen wollte! Und genau jetzt ein DNF? Nein, das kam auf keinen Fall in Frage!

Während ich da so am Straßenrand saß und versuchte meinen (irreparablen) Reifen zu flicken, hielt ein Official mit seinem Motorrad neben mir an. Er sah meine Felge und wollte mich prompt aus dem Rennen nehmen. Ich widersprach natürlich heftigst und erklärte ihm meine Situation, was ihn aber nicht beeindruckte. Erst, als ich ihm versprach, den Berg hinunter zu laufen und unten an der Bike Station ein neues Hinterrad zu holen, ließ er mich gehen! Ich rannte also den Berg hinunter und sah schon von weitem eine lange Schlange an der Bike Station. Gleich wurde ich aufgeklärt, daß ich die Nr. 11 wäre, die auf ein neues Laufrad wartete… So eine Sch…..!!!!

Kurz übermannten mich die Gefühle und ich mußte losheulen. Doch dann kam die Wut. Ich beschloss, hier nicht zu warten, bis vielleicht irgendwann ein Laufrad für mich verfügbar wäre, sondern würde – wenn nötig – bis in die Wechselzone laufen. Das blöde war nur, ich war erst bei Kilometer 35 (von 90). Ich schob also mein Rad weiter den Berg hinunter, und als mich keiner mehr sehen konnte, stieg ich wieder auf. Die Felge war ja eh schon völlig kaputt, also was sollte noch passieren. Ich wußte, ich durfte halt nicht mehr bremsen (vor allem nicht hinten) und konnte auch keine Kurve mehr normal ausfahren. Doch ich rollte. Und ich wurde immer mutiger. Ich fuhr immer schneller und schneller, und gewann immer mehr Sicherheit auf meinem wabbernden Hinterrad. Also. Es geht doch! Eine gute Zeit war eh schon lange im Eimer, aber ich wollte einfach unbedingt das Ziel sehen!

Leider brachte ich mit meinem kaputten und platten Hinterrad natürlich keinen ansprechenden Schnitt zusammen, doch 21km/h waren es im Schnitt dann doch. Extrem demütigend war jedoch, daß ich Massen an Mitstreitern an mir vorbei ziehen lassen mußte (von denen mich fast jeder zweite auf meinen Plattfuss aufmerksam machte), bis ich mich schlussendlich – zumindest gefühlt – am Ende des Feldes befand. Sogar Athleten, die keine Power mehr hatten und in Abfahrtspassagen einfach rollen ließen, waren schneller als ich. Aber ich versuchte, alle Schimpfwörter, die momentan so in meinem Kopf herum spukten, beiseite zu schieben und nur an das Finish zu denken. Ich motivierte mich, daß es ja auch Pannen-Motorräder gab, die Laufräder mit hatten, und wünschte mir ein solches herbei! Und es kam! Aber es fuhr vorbei! Und hörte meine Hilfeschreie nicht… So ein Mist. Also, es half nichts! Weiterfahren! Nach ca. 25km erreichte ich endlich wieder Zell und sah von oben meinen Vereinskollegen Bali, der bereits am Seeufer auf der Laufstrecke war (und sich schlußendlich sogar einen WM-Slot geholt hatte!!!). Das war für mich zwar nicht sehr motivierend, daß alle bereits auf der Laufstrecke waren und ich noch 30km am Rad vor mir hatte, doch ich wußte, es gab im Ferry Porsche Center bei der Ironman Expo ebenfalls eine Bike Station – die würde mir sicher ein neues Laufrad zur Verfügung stellen! Ich verließ also die Strecke, rannte mit meinem geschulterten Bike über die Stiegen hinunter zur Expo und fand die Bike Station vor: geschlossen! AAAAAAAHHHH!!! Wieder hinauf auf die Strecke, weiterfahren. Schlußendlich erreichte ich nach über 40km mit plattem und kaputtem Reifen, Piesendorf, wo mein Flehen erhört wurde. Die Bike Station dort hatte noch ein Laufrad für mich!

Ziemlich zornig und auch schon etwas k.o. vom ständigen Power-Pedalieren fuhr ich die letzten 20km zuende und fühlte mich wie eine Schnecke, die endlich fliegen konnte! Ich sammelte Radfahrer um Radfahrer ein und rollte das Feld ab jetzt von hinten auf! Nach über 4:13 Stunden erreichte ich endlich wieder die Wechselzone und war der glücklichste Mensch! Der Besenwagen hatte mich nicht eingeholt, ich hatte die Bike-Strecke hinter mir, und jetzt mußte ich nur mehr nach Hause laufen!

In meiner ersten Runde um den See war ich ziemlich flott unterwegs und freute mich riesig, daß ich wieder Platz um Platz gut machen konnte. Ich sah endlich auch Clemens wieder, der sich schon große Sorgen gemacht und von meinen Eskapaden ja nichts mitbekommen hatte. Auch meine Freundin Herta und viele andere Bekannte hatten ausgeharrt und feuerten mich weiter an! Vielen vielen Dank dafür an euch alle!

Doch dann kam das Gewitter! Erst freute ich mich riesig, daß der Wind etwas Abkühlung brachte. Doch in relativ kurzer Zeit begann es zu blitzen und donnern, und zwar in so kurzen Abständen, daß ich wußte, das Gewitter ist direkt über uns! Ich hatte zwar keine Angst, aber es waren doch fast noch 8km zu laufen. Mein Tempo wurde dann auch etwas langsamer, da ich sowieso um keine Top-Zeit mehr kämpfte und der Asphalt auch immer rutschiger wurde. Doch Kilometer um Kilometer rauschten vorbei, und ich kam mir vor wie bei „Singing in the rain“! Ich lief wieder hinein nach Zell am See, hinauf in die Stadt, bog um die Kurve zur letzten Labe-Station, und dann: STOP! Rennunterbrechung! Hunderte Läufer standen da, aufgehalten von (armen) Rotkreuz-Mitarbeitern, die den Auftrag hatten, uns hier aufgrund der Unterbrechung aufzuhalten, und die – leider Gottes – von vielen übermotivierten Athleten arg beschimpft wurden. Mir war das zwar auch unangenehm, aber da meine Zeit ja eh schon zum Vergessen war, nahm ich es mit Humor und vertraute darauf, daß ich schon noch irgendwann ins Ziel laufen darf. Es waren ja nur mehr 500m bis dorthin! Und so kam es dann auch! Ca. 5 Minuten nach meinem Stop durften wir wieder weiterlaufen und erreichten im Pulk das Ziel! Es war geschafft!

Eine Zielzeit habe ich bis jetzt zwar noch keine, da alle Athleten, die aufgrund der Rennunterbrechung angehalten wurden, nicht mehr in die Wertung kamen. Doch Ironman hat versprochen, die betroffenen Starter alle anzuschreiben und Ihnen die um die Unterbrechung berichtigte Zeit mitzuteilen. Wie auch immer – die Zeit ist mir diesmal sowieso ganz egal! Das wichtigste war definitiv, gesund im Ziel zu sein und das Rennen offiziell beendet zu haben! Und die Krönung folgte dann noch bei der Siegerehrung im Ferry Porsche Congress Center: ich erhielt meine heiß ersehnte Alps Tour – Medaille für das Finish in Rapperswil, Klagenfurt und nun auch in Zell am See! Ich hatte meine Serie beendet und ins Ziel gebracht! Yeah!

Im Nachhinein gesehen war es sicher nicht ganz ungefährlich, was ich gemacht habe, aber ich bin auch etwas stolz, daß ich durchgebissen und nie aufgegeben habe! Es hat mir wieder einmal gezeigt, wie stark mein Kopf sein kann (wenn er will) und was man alles zu leisten im Stande ist! Auch in noch so aussichtslosen Situationen gibt es immer einen Strohhalm, an den man sich klammern und zumindest versuchen kann, das Beste aus der Situation zu machen! Ich denke, das wird mir nicht nur im Sport, sondern auch so im Leben für immer in Erinnerung bleiben! Danke, Zell am See, du warst zwar nicht das Rennen, das ich mir gewünscht habe, aber ich habe wieder viel gelernt! Bis auf ein Neues in 2018!

4 Kommentare

  1. Hallo Angelika! Es ist ja wirklich beeindruckend mit welchen Einsatz du bei dieser Veranstaltung geglänzt hast. Für mich als „Nichtsportler“ unvorstellbar. Übrigens: Dein Bericht liest sich so spannend, dass ich das neben mir laufende Sommergespräch mit Sebastian Kurz total überhört habe. Ich gratuliere Dir zu dieser Leistung und bin echt stark beeindruckt!

  2. Sonja sagt:

    Liebe Angelika! Also das muss dir erst mal wer nachmachen… Wahnsinn! Ich habe allergrößten Respekt vor dir und gratuliere dir zu deinem Finish!!! GlG Sonja

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