Family affairs…

2. Juli 2018

Am letzten Sonntag stand ein ganz besonderes Rennen als mein heuriges Saison-Highlight an. Denn ich durfte nicht nur in den Farben des Mohrenwirt-Teams am Start der Challenge Roth stehen, nein, es war auch das 1. Langdistanz-Rennen meines Bruders, das ich mit ihm gemeinsam als großes Abenteuer eines langen Triathlon-Tages erleben sollte! Für mich stand also das gesamte Wochenende im Zeichen der Familie: sozusagen Trigantium, Mattigtal und Mohrenwirt als Teil der Triathlon-Community, der Challenge Family.

Aber nicht nur deshalb war das Rennen für mich etwas ganz besonderes, die Challenge Roth ist schon seit Jahren jener Triathlon, der von Athleten als die beste Langdistanz weltweit ausgezeichnet wird. Wer also auf der Ironman-Distanz unterwegs ist, kommt an der Challenge Roth nicht vorbei – sie ist quasi die Mutter aller Rennen in Europa!

Da musste ich also hin! Einmal auf den Spuren von Legenden wie Chrissie Wellington oder Lothar Leder unterwegs zu sein, den Main-Donau-Kanal auf und ab zu schwimmen, den legendären Solarer Berg im engen Spalier der Zuschauer hoch zu fahren und schließlich im grandiosen Rother Ziel-Stadion einzulaufen… Ein Traum für jeden Triathlon-Freak!

Meine Vorbereitung war – wie in den letzten Artikeln schon beschrieben – verletzungsbedingt nicht unbedingt die allerbeste, und so stand relativ bald fest, das Rennen nicht auf „Teufel komm raus“ anzugehen, um eine neue Bestzeit zu erzielen, sondern es zu genießen (wenn man davon auf der Ironman-Distanz überhaupt sprechen kann).

So war ich also relativ relaxed, als am Sonntag morgen um 04:00 Uhr früh der Wecker klingelte. Ich bereitete wie immer meine Wettkampfausrüstung und die Ernährung vor, packte alles in meine Beutel und machte mich nach dem Frühstück gemeinsam mit Clemens auf den Weg zum Schwimmstart. Ich wollte ca. um 05:40 Uhr vor Ort sein, um die Beutel rechtzeitig abzugeben und mein Rad mit meiner Wettkampfernährung bestücken zu können.

Und dann das! Stau vor Hilpoltstein! Und zwar nicht nur kurz vor den Parkplätzen bei der Wechselzone, sondern kilometerlang zurück reichend. Am Beginn dachten wir uns, das sind ja alles auch Athleten! Die müssen alle – genauso wie ich – zum Schwimmstart… Doch die Minuten sind nur so verronnen… 05:45 Uhr war es bereits, dann 05:55 Uhr. Und ich war immer noch mindestens 3 Kilometer vor dem Wettkampfgelände. Ich wußte, daß die Wechselzone um 06:15 Uhr – zumindest für die Abgabe der roten Wechselbeutel – geschlossen würde. Meine Unruhe wurde immer größer, doch dann hatte Clemens die rettende Idee. Wir fuhren rechts ran, nahmen Clemens‘ Begleitfahrrad vom Radträger, ich schulterte meine Rucksäcke und fuhr dann – vorbei am ganzen Stau – mit einem Puls von mindestens 180 in Richtung Wechselzone. Dort angekommen, kettete ich das Bike an einen Baum und rannte – vorbei an meinem rufenden Bruder – zur Beutelabgabe! Noch 2 Minuten bis zum Ende der Abgabemöglichkeit, hatte der Sprecher gerade durchgesagt… Quasi in letzter Sekunde schaffte ich es, meinen roten Sack zu deponieren, und bestückte noch meine Zeitfahrmaschine mit Flaschen und Essen. Es war geschafft! Komplett von der Rolle verließ ich das Areal in Richtung meines Bruders und sank ihm – nervlich etwas angeschlagen – in die Arme!

Puh – was sollte jetzt noch schief gehen? Jetzt musste ich nur noch schwimmen, radeln, laufen…

Ich setzte mich zwischen die Kleider-LKWs am Schwimmstart und versuchte, noch etwas Ruhe zu finden und mich zu sammeln. Alle Konzentration war jetzt auf mein Rennen gerichtet – jetzt hieß es, abzuliefern und den Lohn der ganzen Arbeit über die Wintermonate abzuholen!

Also – auf geht’s! Ab zum Schwimmstart! Pünktlich um 07:05 wurde ich in der ersten Welle der 2 Damen-Gruppen auf die lange Reise geschickt! Gemeinsam mit ca. 240 Frauen startete ich also los in ein Abenteuer und in die Herausforderung meines Jahres 2018!

Bei meinen letzten Rennen gab es immer einen sogenannten Rolling-Start, bei dem alle 5 Sekunden 4-6 Athleten ins Wasser gelassen wurden. Diesmal war es aber wieder ein „Massenstart“, und zwar vom Wasser aus, der auch dementsprechend ruppig los ging. Ich schluckte nach den ersten Schlägen gleich ein paar Mal Wasser, was mir eigentlich aber nichts ausmacht, und ich versuchte, gleich geeignete Beine zu finden, um im Wasserschatten ein paar Körner zu sparen. Allerdings merkte ich relativ schnell, daß die Niveaus bei den Damen sehr unterschiedlich sind. Die richtig schnellen Frauen waren bald auf und davon, und die anderen waren hinter mir… Daher mußte ich wohl oder übel einen Großteil der Strecke alleine absolvieren, womit ich mich aber auch bald abgefunden hatte.

Nach ca. 1:11 Stunde konnte ich, glücklich über meine neue Schwimmbestzeit, den Main-Donau-Kanal verlassen und mich in die Wechselzone begeben, wo mich überaus hilfsbereite Damen bereits erwarteten und mir aus dem Neo halfen. Ich musste nur mehr die Radschuhe anziehen und durfte mich dann schon auf das nächste Highlight freuen: meine neue Zeitfahrmaschine von Airstreeem, mit der ich nun meinen ersten Wettkampf bestreiten konnte! Was für ein Teil! Und was für eine großherzige Aktion von meinem Liebsten Sponsor! Jetzt gab es also keine Ausreden mehr, und ich wollte unbedingt zeigen, was in mir steckt!

Schon nach den ersten Kilometern merkte ich, daß ich mich heute gut fühlen würde, und startete zuversichtlich auf die zweimal 90 km lange Strecke. Die wunderbaren Landschaften sorgten – abwechselnd mit den durch Bands und Moderationen belebten Ortschaften – ständig dafür, daß mir nicht langweilig wurde. Noch dazu überholten mich immer wieder in späteren Schwimmgruppen gestartete Kollegen und Freunde, die mir ebenfalls Motivation gaben. Als dann auch mein Bruder an mir vorbei fuhr und ein paar Worte mit mir wechselte, wußte ich, daß alles gut ist, er safe aus dem Wasser gekommen war und jetzt seine Stärken ausspielen konnte. Also hinterher! Ich versuchte, ihn – da gerade eine Abfahrt anstand – solange wie möglich nicht aus den Augen zu verlieren und freute mich gleichzeitig schon auf das nächste anstehende Highlight: den Solarer Berg!

Wer Tour de France schaut und dort die Bergankunft von Alpe d’Huez kennt, weiß auch warum…! Denn am Solarer Berg stehen Tausende Zuschauer dicht an dicht und belagern mit Klopfschläuchen und Tröten bewaffnet die Straße. Erst wenn ein Radfahrer kommt, öffnet sich ein kleines Spalier, durch das der Athlet den Berg hinauf „getragen“ wird. Die Stimmung ist einfach unbeschreiblich!

Auch ich erfuhr diese Energie, die wie eine große Welle über mich schwappte und mich fast etwas zittern ließ! So viele Tausend Leute! Und alle schreien für mich, auch wenn sie mich gar nicht kennen! Es war einfach unglaublich!

Mit neuer Motivation ging es dann wieder zurück in Richtung Wechselzone und auf die zweite Runde. Immer noch mit bestem Gefühl absolvierte ich die Strecke einfach ein zweites Mal und versuchte, mich an alle Abschnitte, die bald kommen würden, noch aus der 1. Runde zu erinnern! So als kleine Denksportaufgabe, damit es nicht langweilig wird…! Und schwupp-di-wupp war ich ein zweites Mal an diesem grandiosen Solarer Berg, der dann allerdings schon etwas leichter, teilweise sogar wieder nebeneinander zu befahren war! Die Stimmung war aber immer noch gleich emotional!

Langsam galt es sich nun auf den abschließenden Marathon vorzubereiten! Was sich aber nicht als so leicht darstellte… Ziemlich steif, aber unglaublich glücklich über eine Pace von 29,3 km/h stieg ich von meinem Rad und „wanderte“ in die Wechselzone. Ob das heute was werden würde mit laufen? Mal sehen…!

Unsicher und doch schon etwas müde, startete ich in den Marathon. Ehrlich gesagt, wäre ich diesmal gleich von Anfang an gerne nur Schritt gegangen. Aber diese Gedanken schob ich gleich beiseite und beschloss, einfach nur so schnell zu laufen, daß es leicht ginge. Und siehe da – nach 3 km fand ich doch noch einen gewissen Rhythmus und fühlte mich wohl. Langsam, aber beständig, arbeitete ich mich von Kilometermarke zu Kilometermarke und überholte dabei sogar viele Männer, die nur mehr Schritt gehen konnten. Und das Beste: ich hatte keine Schmerzen! Ich war zwar im Kopf schon etwas müde und hätte nichts lieber gemacht, als mich an der elendslangen Lände in den Main-Donau-Kanal zu werfen und treiben zu lassen, doch körperlich fehlte mir Gott-sei-Dank nichts! Und das versuchte ich für mich zu nutzen! Immer wieder lobte ich meinen Körper und konnte daraus weitere Motivation für die nächsten Kilometer schöpfen!

Und dann war endlich Kilometer 25 erreicht. Weg vom sturen geradeaus laufen, wieder zurück in die Stimmungsnester von Roth! Juhu! Doch so toll, wie ich mir das vorgestellt hatte, war das dann doch nicht. Ich mußte zwar nicht mehr geradeaus laufen, dafür aber ziemlich wellig bergauf und bergab. Und das Schlimmste sollte erst noch kommen: der Hügel nach Büchenbach hinauf, der 3 Kilometer fast durchgängige Steigung für uns bereit hielt!

Doch auch hier hielt ich an meinem Grundsatz fest: never take the drug (was für mich so viel bedeutet wie, beginne nie zu gehen, denn dann kommst du nie mehr davon los!)! So lief ich also – gefühlt im Schneckentempo, aber immer noch schneller als der Großteil der „Walker“ – den Hügel hinauf, um auch diese letzte Herausforderung zu meistern! Wie ich dann schlussendlich die letzten 6 Kilometer wieder nach unten und durch die Stadt in Richtung Zielgelände gekommen bin, weiß ich nicht mehr so genau, aber das Ankommen im Zielstadion war dafür umso genialer! Hunderte Menschen säumten den Weg in Richtung Stadion und machten Stimmung für jeden einzelnen, der sich der Finishline näherte! Auch ich wurde – getragen von dieser Energie – noch über die letzten Meter vorwärts gepeitscht und konnte schlussendlich überglücklich meine Finisher-Medaille in Empfang nehmen!

Da ich so langsam gelaufen war, hatte ich es die ganze Zeit vermieden, auf meiner Uhr nachzusehen, ob sich – wie in Klagenfurt – eine Zeit unter 12 Stunden ausgehen könnte. Ich hatte einfach zu viel Angst, daß mich das stressen könnte. Doch als mich Jaki im Ziel umarmte und mir mitteilte, daß ich es wieder geschafft hatte, war ich im Himmel meiner Träume!

Vielen Dank an dieser Stelle an alle, die es mir ermöglicht haben, die Reise weiter zu gehen und trotz schwieriger Umstände das Optimum heraus zu holen! Vor allem an Robert Schimmerl für den mega sporttherapeutischen Support, Jaki Schmidlechner für die ganze Organisation und das Aushelfen mit seinen Vector-Pedalen, Ben Reszel für die perfekte Grundlage den Winter über, Dani Herlbauer für jederzeitigen Rat & Tat mit meinem Bike und nicht zuletzt meinem liebsten Clemens, der meinen „Vogel“ aushalten muss und mich trotzdem als Bike-Sponsor, Fotograf und Rundum-Support so großartig unterstützt! Dank euch bin ich wieder ein Stück gewachsen!

Bis zum nächsten Mal, eure Angelika.

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